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Internationale Perspektiven auf Führung in der katholischen Kirche

01.07.2020

Gute Führung ist eine der zentralen Herausforderungen der katholischen Kirche. Bis jetzt gibt es keinen verlässlichen Überblick über die kirchlichen Führungsmodelle, die in den einzelnen Ortskirchen genutzt werden. Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus der ganzen Welt haben bei einem internationalen Symposium ihre Erkenntnisse zu regionalen oder nationalen Führungsmodellen innerhalb der katholischen Kirche vorgestellt und die jeweiligen Stärken und Schwächen sowie das Zusammenspiel mit gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen herausgearbeitet. Das Anliegen des vom Center for Church Management der Villanova University, der Research Unit of Pastoral und Empirical Theology der Katholischen Universität Löwen und dem zap der Ruhr-Universität Bochum getragenen Netzwerks ist die Verbesserung von Führungspraxis in der Weltkirche. Am 24.–26.06.2020 fand ein International Catholic Leadership Symposium statt, das vom Center for Church Management der Villanova University (Pennsylvania, USA), der Research Unit of Pastoral Theology and Empirical Theology der Katholischen Universität Löwen (Belgien) und dem zap der Ruhr-Universität Bochum (Deutschland) veranstaltet wurde. Das Symposium geht auf Ideen zurück, die während eines Workshops am 17.–18.07.2019 in Bochum erarbeitet wurden. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass es keinen empirisch fundierten Überblick über Führungsmodelle gibt, die in den verschiedenen Ortskirchen der römisch-katholischen Kirche praktiziert werden. Beim Bochumer Workshop entstand die Idee, diesen Mangel mit einem Inventar auszugleichen, das – auf lange Sicht – einen möglichst vollständigen oder doch zumindest repräsentativen Überblick ermöglicht, um die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen kirchlicher Führung besser zu verstehen, voneinander lernen zu können und Kriterien für gute kirchliche Führung zu entwickeln, die auf weltkirchlicher Ebene Bestand haben können.
Ein erster Schritt wurde mit dem International Catholic Leadership Symposium gemacht, das wegen der COVID-19-Pandemie in Form einer Online-Konferenz stattfand. Führungsexperten aus allen Teilen der Weltkirche stellten Führungsmodelle aus den USA, Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo, Belgien, Deutschland, der Ukraine, Indien und Fidschi vor. Es gab insgesamt fünf sessions mit jeweils zwei Präsentationen und sich anschließenden Diskussionen. Eine Zusammenfassung aller Vorträge und ein moderierter Austausch über die learnings rundete das Symposium ab. Das Programm, Informationen über die Referentinnen und Referenten sowie die Dokumentation der einzelnen Vorträge können auf der Website des Kongresses abgerufen werden (http://villanovachurchmanagement.com/international-catholic-leadership-online-symposium/).
Die Referentinnen und Referenten sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass das Symposium überraschende Perspektiven auf kirchliche Führung eröffnete und der Blick auf die verschiedenen Erfahrungen mit Führung in der römisch-katholischen Kirche enorm bereichernd war. Die wohl wichtigste Erkenntnis war, wie stark die Praxis von Führung von den jeweiligen Kontexten abhängt: von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen über geschichtliche Prägungen bis hin zu interkulturellen und interreligiösen Einflussfaktoren. Dadurch wurde verständlich, dass und warum sich Führungsverständnisse und Führungshandeln in den verschiedenen Ortskirchen durchaus erheblich unterscheiden können. Bei allen Unterschieden – die jedoch nicht als trennend, sondern im Gegenteil als bereichernd und inspirierend wahrgenommen wurden – waren aber auch gemeinsame Grundorientierungen deutlich: der große Einfluss von Persönlichkeiten auf Führung, die Notwendigkeit einer sorgfältigen und systematischen Ausbildung von Führungspersonal sowie eine hohe Wertschätzung eines dialogischen und kooperativen Führungsstils.
Dieses Symposium verstand sich nach dem Workshop in Bochum als ein nächster Schritt, ein umfassendes weltkirchliches Leadership-Netzwerk zu bilden und Führungsmodelle systematisch zu erfassen, zu dokumentieren und auszuwerten. Das Netzwerk ist offen für weitere Interessenten und plant ein nächstes Treffen im kommenden Jahr. Eine Veröffentlichung zum diesjährigen Symposium ist geplant.

Dr. Benedikt Jürgens
+49 234 32-21385
benedikt.juergens@rub.de