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Nachruf Prof. Dr. Heinrich J. F. Reinhardt

23.10.2020

Die Katholisch-Theologische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum trauert um Professor Dr. Heinrich J. F. Reinhardt, der am 21. Oktober im Alter von 78 Jahren verstarb.
Heinrich Reinhardt war der Fakultät in besonderer Weise verbunden. Hier war er nicht nur Professor für Kirchenrecht (1992–2007) und Dekan der Fakultät (1999–2002). Vielmehr führten ihn – als Kind des Ruhrgebiets – seine Studien bereits 1965 an die neu gegründete Ruhr-Universität. In Bochum war Heinrich Reinhardt zunächst studentische, dann wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Kirchenrecht bei Matthäus Kaiser (1965–1969), dann Wissenschaftlicher Assistent bei Heribert Heinemann (1969–1975). 1967 erwarb er mit einer von Professor Dr. Ludwig Hödl betreuten Arbeit das Lizentiat in Katholischer Theologie. 1972 promovierte Reinhardt mit einer von Professor Dr. Heribert Heinemann betreuten Dissertation. 1986 erwarb er das Lizentiat im Kanonischen Recht in Straßburg.

Auch beruflich zeigte sich Heinrich Reinhardt dem Ruhrgebiet in vielfacher Weise verbunden. Ab 1976 war er als Verwaltungskanonist im Bischöflichen Generalvikariat Essen und als Anwalt beim dortigen Bischöflichen Offizialat tätig. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bistums galt er schnell als kundige Quelle bei rechtlichen Fragen jeglicher Art. Der Variantenreichtum der Auskunftsbegehren, mit denen sich Seelsorgerinnen und Seelsorger an den kanonistischen Fachmann wendeten, ist legendär. Heinrich Reinhardt war dafür bekannt, für große und kleine Herausforderungen ein offenes Ohr zu haben. Er blieb kaum eine Antwort schuldig und sorgte für rasche Aufklärung – häufig auch mithilfe seiner guten Kontakte zu kanonistischen Lehrstühle und zu allen Ebenen deutscher Bistumsleitungen. 1984 wechselte Reinhardt als Verwaltungskanonist in das Bistum Münster; dort wurde er auch als Diözesanrichter tätig. Daneben lehrte er auch Kirchenrecht an der Theologischen Hochschule der Franziskaner und Kapuziner in Münster.
1992 führte ihn der Ruf auf den Lehrstuhl Kirchenrecht an die Katholisch-Theologische Fakultät ins Ruhrgebiet und an die Ruhr-Universität Bochum zurück. Hier an der Katholisch-Theologischen Fakultät übernahm er die Nachfolge seines akademischen Lehrers Heribert Heinemann. Einen Ruf an die Universität Bonn lehnte er 1996 ab. Als Dekan (1999–2002) engagierte sich Reinhardt sehr für den Fortbestand der Fakultät. Den Notenaustausch zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Nordrhein-Westfalen 2018, der den rechtlichen Status der Fakultät nachhaltig sichert, war für Heinrich Reinhardt, der die Geschicke der Fakultät auch nach seiner Emeritierung rührig begleitete, Anlass großer Freude.

Heinrich Reinhardts besonderes Forschungsinteresse galt der kirchlichen Rechtsgeschichte, dem Verfassungs- und Verwaltungsrecht, dem Sakramenten- und Eherecht und der Ökumene. Interkonfessionelle und interdisziplinäre Projekte fanden sein besonderes Interesse. Er war Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik, Berater der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, Mitglied der Internationalen Römisch-Katholischen/Alt-Katholischen Dialogkommission und der interkonfessionellen Kirchenrechts-Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg. Er war ebenso Mitglied der Übersetzungskommission der deutschen Bischofskonferenz für den Codex Iuris Canonici von 1983. 2003 gründete er in Bochum den interdisziplinären Studiengang „Wissenschaftliche Fortbildung in der Notfallseelsorge“.

Neben seiner Tätigkeit in Bochum engagierte sich Heinrich Reinhardt ab 1992 im Rahmen des Aufbaustudiengangs Kanonisches Recht in Münster. Vielen Kanonistinnen und Kanonisten aus ganz Deutschland wurde er so ein Begriff. Als engagierter Lehrer und geduldiger Betreuer unzähliger Abschlussarbeiten hat er nicht wenig dazu beigetragen, die wissenschaftliche Landschaft der Kanonistik in Deutschland nachhaltig zu prägen. Manche Kanonistin und mancher Kanonist bewahrt auch heute noch ein Korrekturexemplar der eigenen Lizentiatsarbeit auf, das durch Heinrich Reinhardts Hände ging und nach dessen intensiver Lektüre nicht nur mit konstruktiv-kritischen Anmerkungen versehen war, sondern häufig auch Abdrücke von Kaffeebechern und etwas Zigarettenasche im Falz enthielt. Diese menschlichen Relikte, die vom intensiven Studium und der großen Aufmerksamkeit zeugen, die Heinrich Reinhardt der Arbeit anderer entgegenbrachte, bedeuteten vielen seiner Schülerinnen und Schüler viel. Dieser Respekt gegenüber anderen und der Leistung der anderen im Ausdruck einer ungewöhnlichen Menschlichkeit und Zugewandtheit ist eine Eigenschaft des Verstorbenen, die wohl nicht wenigen in den Sinn kommt, wenn sie an ihn denken. „Ach Mensch“ entfuhr es Heinrich Reinhardt bisweilen, wenn er studentische Missgeschicke kommentierte – eine wohltuende Form der Empathie, die auch seinen Kolleginnen und Kollegen guttat.

Seine Schülerinnen und Schüler widmeten Heinrich Reinhardt insgesamt drei Festschriften. 2017 erhielt er im Rahmen eines sonnigen Festakts im Bochumer Beckmannshof die dritte Festschrift zu seinem 75. Geburtstag. Diese Feier zu Ehren des Wissenschaftlers und Menschen Heinrich Reinhardt ist vielen Mitgliedern unserer Fakultät noch lebhaft in Erinnerung. Auf die Nachricht von seinem Tod reagieren wir nun betroffen und traurig. Wir werden ihn als menschlichen Kollegen und kollegialen Menschen in Ehren halten.

Für den Lehrstuhl Kirchenrecht
Professorin Dr. Judith Hahn

Für die Katholisch-Theologische Fakultät
Professor Dr. Bernhard Grümme

Reinhardt Nachruf
© Marquardt, RUB