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Panpsychismus

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Der Panpsychismus

als semi-interventionistisches Modell zur Erklärung Gottes Handelns in der Heilsgeschichte

Gottes Handeln in der Welt zählt zu den wesentlichen Annahmen des christlichen Glaubens. Betrachtet man zentrale Glaubensinhalte wie die Menschwerdung Gottes, die Auferstehung Jesu Christi oder auch die Praxis des Bittgebetes, fällt es schwer, sich einen christlichen Glauben vorzustellen, der die Möglichkeit des Handelns Gottes ausschließt. Auf der anderen Seite besteht der Verdacht, der Glaube an einen Gott, der in die Geschichte eingreift, sei inkompatibel mit einem rationalen Weltbild, gerate in Konflikt mit den Naturwissenschaften und der Philosophie. Zu den philosophischen Einwänden gehört die berechtigte Frage, wie sich göttliche Interventionen mit der Annahme libertarischer Freiheit und somit einer offenen Zukunft vereinbaren lassen, ohne die das Postulat moralischer Verantwortung unhaltbar scheint. Auch theologische Einwände gegen ein spezielles göttliches Handeln entgegen der Naturgesetze werden oft herangezogen, vor allem in Verweis auf das Theodizeeproblem. Während klassische interventionistische Modelle Gottes Handeln durch Außerkraftsetzen oder Brechen von Naturgesetzen erklären und damit im o.g. Konflikt mit den Naturwissenschaften und der Annahme freier Geschöpfe zu stehen scheinen, versuchen non-interventionistische Theorien, göttliches Wirken in Einklang mit der naturgesetzlichen Ordnung zu denken. Ziel des Projektes ist es, mithilfe des Panpsychismus ein semi-interventionistisches Modell der Erklärung Gottes Handelns in der Heilsgeschichte zu entwickeln, das sich sowohl mit einem theistischen Gottesbild als auch mit der Annahme moralisch relevanter Willensfreiheit vereinbaren lässt. Nach der Theorie des Panpsychismus, die innerhalb der Philosophie des Geistes in den letzten Jahren immer größeren Anklang findet, liegen den Grundbausteinen der Welt neben physikalischen auch mentale bzw. proto-mentale Eigenschaften zugrunde. Wenn in einem theistischen Weltbild Gott als Ursache der proto-mentalen Eigenschaften angesehen werden kann, dann ist es plausibel anzunehmen, dass diese auch mit dem göttlichen Bewusstsein verbunden sind und bleiben. Durch Wechselwirkung zwischen mentalen und physikalischen Eigenschaften entsteht mit wachsender Komplexität allmählich Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Rationalität und Freiheit. Es gilt zu erörtern, wie diese Theorie ausgefaltet werden kann, dass mit steigendem Komplexitätsgrad der Möglichkeitsraum für Gottes Wirken ebenfalls zunimmt. Es wäre sogar möglich, dass Gott in Gruppen von Menschen mittels supermentaler Eigenschaften wirkt, wenn diese sich gemeinsam seinem Wirken gegenüber öffnen. Dies würde eine philosophische Fundierung des theologischen Motivs der „Heilsgeschichte“ ermöglichen sowie der umstrittenen ekklesiologischen Denkform göttlicher Offenbarung in und durch die Kirche ermöglichen. Dabei soll auch die Forschung von Henry Stapp zur Relevanz der Quantenmechanik für die Entstehung von Bewusstsein rezipiert werden, der sich als theoretischer Physiker intensiv mit Whitehead und später mit dem Panpsychismus Galen Strawsons sowie der Frage nach der Kompatibilität von Naturwissenschaften und der Existenz von Willensfreiheit beschäftigt hat. Zudem soll erörtert werden, ob die physikalische Fundierung des Panpsychismus bei Stapp auch herangezogen werden kann, um ein Wirken Gottes sowohl auf einzelne Individuen bezogen als auch in größeren geschichtlichen Zusammenhängen zu denken, ohne dabei ein Brechen von Naturgesetzen oder eine Außerkraftsetzung geschöpflicher Willensfreiheit in Kauf zu nehmen.

Malte Brügge-Feldhake

Der Autor

Malte Brügge-Feldhake
malte.bfeldhake@uni-siegen.de

Forschungsarbeit im Projekt "Science Engaged Analytic Theology"

Gefördert durch die John Templeton Foundation.