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Projektübersicht

Formierung von Reinheitskonzeptionen

Das Projekt „Die Formierung von Reinheitskonzeptionen in der Tora und im Ezechielbuch als Voraussetzung einer kulturellen und religiösen Leitdifferenz im Frühjudentum“ beschäftigt sich mit der Bedeutung und Funktion von Reinheitsvorstellungen im Prozess der Ausbildung der großen religiösen Traditionsgeflechte am Beispiel des frühen Judentums.

Forschungsstand und Problemstellung

Die Wurzeln der Unterscheidung zwischen rein (טהור ṭāhôr ) und unrein (טמא ṭāmê˒ ) gehen auf die Tora und die Zeit des zweiten Tempels zurück. Dabei wird der Zusammenhang zwischen der Herausbildung dieser Ordnungskategorien des Frühjudentums und der Tora in der Forschung immer wieder betont und die Tora meist als geschlossene Größe zum Ausgangspunkt genommen, so dass das Konzept der Reinheit in der Tora einheitlich ist und auch im Ezechielbuch ein vergleichbares Konzept vorliegt. Das hat zur Folge, dass vor allem auf das Buch Levitikus zurückgegriffen wird und die Differenzierungen sowie die Entwicklung der Reinheitskonzeptionen innerhalb der Tora (besonders zwischen Lev 11-15; 17-26/ 27 und Num 1-10) eine untergeordnete Rolle spielen. Das Reinheitskonzept des Numeribuches wird vor diesem Hintergrund meist als einheitlich mit dem des Levitikusbuch übergangen und ist bisher noch weitestgehend unerforscht. Auch der Zusammenhang der Reinheitskonzepte in Lev und Num mit denen im Dtn ist literarhistorisch in jüngerer Zeit selten ausführlicher behandelt und mit der Ezechielforschung vernetzt worden. Nicht zuletzt ist die Rezeption der Reinheitsproblematik in der späteren Literatur (z.B. die Tempelrolle, oder das Jubiläenbuch) ein Hinweis auf die Komplexität und die Verschiedenartigkeit der Reinheitskonzepte in der Tora wie im Ezechielbuch. Die Einbindung kulturanthropologischer Forschungen wirft methodologische Probleme auf (z.B. die Vernetzung mit der diachron zu differenzierenden biblischen Semantik). Die sozialgeschichtliche Verortung der Reinheitskonzepte in der nachexilischen Gesellschaft des frühen Judentums setzt eine genaue Beschreibung und literarhistorische Verortung der literarischen Funktion der Reinheitskonzeptionen voraus, um nicht das in der Forschung beliebte Entwicklungsschema zu bedienen, nach dem sich das ethisch-moralische Reinheitsverständnis aus der kultischen Reinheit entwickelt, beide aber nicht enger ineinander greifen.

Fragestellung

Das Projekt soll: a) die Reinheitskonzepte in der Tora und in Ez differenziert beschreiben und vergleichend analysieren, b) das exegetische und literarhistorische Profil des Reinheitskonzeptes im Buch Numeri vertiefend erarbeiten und c) Spuren der Rezeption differenzierter Reinheitskonzeptionen im Judentum des zweiten Tempels und im Frühjudentum verfolgen. Dazu ist eine systematisierende Entfaltung des Reinheitsbegriffs Voraussetzung. Der erste Teil des Projektes soll die Reinheitskonzeptionen der Tora differenzieren und in materialer, philologischer und literaturhistorischer Hinsicht profilieren und mit religionssystematischen und religionshistorischen Fragestellungen ins Gespräch bringen, um so die Leitkategorie der Reinheit und ihren Zusammenhang mit der Kategorie der Heiligkeit in der Tora präziser einordnen und die Voraussetzungen für die Rezeption im Frühjudentum klären zu können. Das Projekt geht von drei Leitfragen aus:

1. Wie ist das Verhältnis von Reinheit und Heiligkeit genauer zu beschreiben?
2. Wie verhalten sich materiell-kultische und moralisch-ethische Reinheit zueinander?
3. Dient die Reinheit zur Grenzziehung nach außen oder zur Binnendifferenzierung einer Gemeinschaft?

Auf der Grundlage einer definitorischen Klärung des Reinheitsbegriffs, werden die Reinheitskonzepte der Tora miteinander verglichen und ihre Funktion in der Komposition des Pentateuch geklärt. Das Reinheitskonzept des Ezechielbuches wird dabei in korrektiver Funktion zum Vergleich herangezogen und flankiert Überlegungen zur literarhistorischen und sozialgeschichtlichen Einordnung der Reinheitskategorie. Daneben werden religions-vergleichende Fragen zur Relevanz der Reinheitskategorie in Religionen der Nachbarkulturen (z.B. Ägypten, Hethiterreich u.a.m.) gestellt und nach archäologischen Verifikationen der Reinheitsvorstellung gesucht (z.B. Opferpraxis, Reinigungsrituale u.a.m.). Auf der Grundlage der Analysen wird die Leistungsfähigkeit und Rezeption der Ordnungskategorie Reinheit in den Blick genommen. Als heuristisches Differenzierungsraster sollen dabei kulturanthropologische, materiell-physische, moralisch-ethische, semantische und textpragmatische, individuelle, kollektiv-soziale Aspekte dienen.
In einem zweiten Schritt wird danach gefragt, welche der Aspekte, wie und unter welchen Voraussetzungen wann im Frühjudentum rezipiert werden. Folgende exemplarische Felder sollen dabei im Vordergrund stehen: die Reinheit der nachexilischen Gemeinde nach innen (z. B. Mischehen [Verbindung zum DFG-Projekt]) und die Rezeption der Speisevorschriften in der Zeit des zweiten Tempels im hellenistischen Judentum.
Mit den anthropologisch grundlegenden und gleichermaßen kulturell wie religiös konstruierten Ordnungskategorien "rein" und "unrein" wird auf literarischer Ebene im AT ausgehend von der Tora ein sakral konnotierter semantischer Raum konstituiert, durch den virtuelle, aber verletzbare Grenzen gesetzt werden. Spatiale und soziale Dimensionen spielen dabei eng zusammen und schließen moralische Transformationen mit ein. Reinheit wird so zu einer konstitutiven, differenzierenden, Identität stiftenden und katalysatorischen Kategorie der homogenen Großgruppe Israel, die eng mit einem anderen Konstrukt, der Heiligkeit, in Verbindung steht. Ziel des Projekts ist die Bestimmung der Voraussetzungen, Entwicklung und Entfaltung des symbolischen Ordnungskonstruktes der Reinheit im Frühjudentum. Dabei soll die alterisierende und abgrenzende Funktion des Konzeptes mit sozial- und territorialgeschichtlichen Entwicklungen korreliert werden.

Ziele

Das Projekt will einen Beitrag leisten zur Entwicklung und beschreibenden Profilierung und Differenzierung eines religiösen Grundbegriffs. Dabei sollen die Reinheitskonzeptionen der Tora unter besonderer Berücksichtigung der Reinheitskonzeption(en) des Numeribuches differenziert und in materialer, philologischer und literaturhistorischer Hinsicht profiliert und mit religionssystematischen und religionshistorischen Fragestellungen ins Gespräch gebracht werden. Auf diese Weise sollen nicht nur das Verhältnis von Reinheit und Heiligkeit in der Tora, sondern auch die Voraussetzungen für die Rezeption im Frühjudentum näher bestimmt werden.

Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit

Prof. Dr. Christophe Nihan (Universität Lausanne, externer Fellow 1.4.2008-28.2.2009) durchgeführt. Im Dezember 2008 und Januar 2009 wurden drei Workshops durchgeführt, deren Ergebnisse 2010 in einem Sammelband publiziert werden.

Weitere Mitarbeiter:
Jan Clauss (Bochum)
Prof. Dr. Michael Konkel (Universität Paderborn, zeitweilig interner Fellow am KHK)

Spuren des Monotheismus

Das Projekt „Spuren des Monotheismus in der materiellen Kultur? Veränderungen im religiösen Symbolsystem in der formativen Phase des vorhellenistischen Judentums in der Eisen III-Zeit und der Perserzeit“ beschäftigt sich mit den Veränderungen im Symbolsystem in der persischen Provinz Yehûd. Es fragt nach den Ursachen und Hintergründen der Entwicklungen im ikonographischen Symbolsystem.

Forschungsstand

Seit der umfassenden Darstellung des Befundes zur materiellen Kultur der perserzeitlichen Provinz Jehûd von Ephraim Stern (1973 engl. 1982) ist eine markante Differenz zwischen dem von internationalen Einflüssen geprägten Umland und dem Kerngebiet der Provinz Jehûd immer wieder herausgestellt worden. Die achämenidische Provinz zeichnet sich durch das Fehlen von Figurinen, Plaketten, Darstellungen von Göttern und ihren Symbolen aus. Die signifikante Veränderung wird in der Forschung in der Regel mit orthodoxen Positionen der Führungselite im nachexilischen Juda verbunden. Der Universalismus der phönizischen Ökumene steht dabei in diametraler Opposition zum „jüdischen Partikularismus“. Das sich formierende nachexilische Judentum ist durch Beschneidung, Sabbatobservanz, Speisegebote, Mischehenverbote, Monotheismus und Bildlosigkeit bestimmt, was die Veränderung im ikonographischen Symbolsystem beeinflusst. Dieses einfache Erklärungsmodell ist in jüngerer Zeit in der Forschung von mehreren Seiten in Frage gestellt worden. Die diametralen Forschungspositionen rühren unter anderem von einer Neueinschätzung der Konstruktivität des Exils als einem scharfen Schnitt, einer unzureichenden Berücksichtigung der Fundlage, aber auch von der fehlenden Vernetzung der Erklärungsmodelle mit größeren Entwicklungslinien im ikonographischen Symbolsystem und einer fehlenden Rückbindung an die Veränderung in der materiellen Kultur insgesamt, die möglicherweise andere Erklärungsansätze für den Wandel im Symbolsystem bereitstellen könnten. Eine Diskussion der unterschiedlichen Forschungspositionen am religionsgeschichtlich relevanten Ausgangsmaterial ist ein Desiderat. Daher besteht hinsichtlich der komplexen Veränderungen der Religion Judas in der Perserzeit auch in Bezug auf die Veränderungen im ikonographischen Symbolsystem Forschungsbedarf.

Vorhaben

Das Projekt untersucht die Veränderungen im ikonographischen Symbolsystem Israels / Palästinas der Zeit zwischen Judas Eigenstaatlichkeit (587 v. Chr.) und der hellenistischen Zeit (ab 333/32 v. Chr.), deren Zusammenhang mit ikonographischen Entwicklungen in den Nachbarkulturen der südlichen Levante und deren Verhältnis zu der Herausbildung des biblischen Monotheismus. Die exemplarische Studie bezieht sich auf die Konstitutions- und Formierungsphase des frühen Judentums im 5. und 4. Jh. und fragt nach dem Einfluss religiöser Überzeugungen auf Veränderungen im religiösen Symbolsystem vor allem im perserzeitlichen Juda. Im Hintergrund steht die Leitthese des Kollegs, dass sich die Konstitution, Etablierung und Ausbreitung der großen religiösen Traditionsgeflechte nicht ohne den Blick auf die gegenseitige Beeinflussung in Kultur, Symbolsystemen und Traditionskomplexen beschreiben lassen. Im Hinblick darauf soll die Formierungsphase des vorhellenistischen Judentums in den Blick genommen und auf Transformationen in der materiellen Kultur hin untersucht werden. Das Projekt richtet dementsprechend seinen Fokus auf die Beschreibung der Kontinuitäten und Diskontinuitäten im ikonographischen Befund der Perserzeit im Kontext der eisenzeitlichen und frühhellenistischen Entwicklungen. Dabei geht es folgendermaßen vor:

Darstellung und religionsgeschichtliche Auswertung des ikonographischen Befundes der Perserzeit in Palästina / Israel (Jehûd, phönizisches Umland, Küstenebene, Galiläa, Ostjordanland, Idumäa/edomitisches Gebiet) auf der Grundlage der Primärquellen im erweiterten Horizont der übrigen archäologischen, epigraphischen und literarischen Quellen
Einbindung in die Entwicklungslinien von der Eisen IIB-Zeit bis zur frühhellenistischen Periode (Kontinuität und Diskontinuität) unter Einbeziehung regionaler politischer, ökonomischer und demographischer Besonderheiten
Überprüfung der Hypothese, dass sich die Formierung des frühen Judentums nicht nur textlich in Sabbat, Beschneidung, Endogamie und bildlosem Monotheismus fassen lässt, sondern sich auch in der materiellen Kultur der babylonisch-persischen Zeit widerspiegelt.

Ziele

Ansatz und Ziel des Projektes ist, die ikonographischen Befunde der Perserzeit in der Provinz Jehûd nicht zu isolieren, sondern stärker in den regionalen und entwicklungsgeschichtlichen Horizont einzurücken, d.h. mit der Eisenzeit einerseits und der hellenistischen Zeit andererseits in Beziehung zu setzen, um so Kontinuitäten und Diskontinuitäten genauer herausstellen zu können. Das Projekt leistet damit einen Beitrag zur genaueren Beschreibung und Einordnung des Formierungsprozesses des frühen Judentums zur Zeit des zweiten Tempels. Durch die Einbeziehung der materiellen Kultur wird die Leitthese des Kollegs deutlicher werden, dass auch Traditionenskomplexe wie das frühnachexilische Judentum, denen in der Forschung eine weitestgehend autochthone Entstehung zugestanden wurde, sich nur in Adaption und Abgrenzung zu anderen kulturellen Traditionen konstituieren, etablieren und weiterentwickeln konnte. Daneben leistet das Projekt einen weiterführenden Beitrag zur Diskussion um die „Achsenzeiten“ als Paradigma für die Formierung religiöser Traditionen in der ersten Kollegphase.


Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit

Prof. Dr. Sakkie Cornelius, University of Stellenbosch (externer Fellow 2009-2010)
Prof. Dr. Othmar Keel, Universität Fribourg (Senior Fellow beratend, nicht resident)
Katharina Pyschny (Bochum)
Jan Clauss (Bochum)
durchgeführt.